Orient-Udo fordert:
Sprengstoffgürtel enger schnallen!
Flugblatt zu einer Veranstaltung mit Udo Steinbach

Heinrich Klauke, Studienleiter bei der katholischen Karl-Rahner-Akademie, ist ein Mann mit Visionen. Versöhnung zwischen verfeindeten Parteien ist seine Berufung. Wenn er auf dem Podium sitzt, muß die Veranstaltung mindestens "Aufbruch - Ökumenische Visionen für das 3. Jahrtausend" oder ähnlich heißen. Schließlich geht es darum, der Dialogfähigkeit des berühmten Jesuiten Karl Rahner nachzueifern und die "geistige Auseinandersetzung mit Menschen unterschiedlicher Weltanschauungen und Religionen" zu suchen, wie es in der Selbstdarstellung der Akademie heißt. Kein Wunder, dass sich Klauke besonders für ein Thema interessiert, bei dem seit Jahrzehnten alle auf eine christliche Versöhnungsinitiative gewartet haben: den Krieg der arabischen Staaten, der Palästinenser, der UNO, der Friedensbewegten und sonstiger Antisemiten gegen Israel. Auch hier will Klauke vermittelnd eingreifen. Deshalb hat er für den 8. Januar zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, bei der beide Seiten zu Wort kommen sollen. Natürlich wäre es schön gewesen, wenn beispielsweise Marwan Barghouti oder Moshe Zuckermann für die Veranstaltung hätten gewonnen werden können. Allein, die Wunschkandidaten waren leider verhindert oder wollten nicht, und so mußte sich Klauke mit zwei anderen Diskutanten begnügen: Udo Steinbach und Doron Kiesel.

"Der Israel-Palästina-Konflikt von Deutschland aus gesehen", lautet der Titel von Klaukes Veranstaltung. Für den deutschen Blick zuständig ist Udo Steinbach, Leiter des von der Bundesregierung finanzierten Deutschen Orient-Instituts. Von Deutschland aus gesehen stellt sich der "Israel-Palästina-Konflikt" ein wenig sonderbar dar: die Juden sehen aus wie Abziehbilder der Nazis, während die "Tod den Juden"-schreienden Palästinenser irgendwie an die Juden erinnern. Jedenfalls ist das Steinbachs Sicht der Dinge: "Wenn wir sehen, wie israelische Panzer durch palästinensische Dörfer fahren und sich die verzweifelten Menschen mit Steinen wehren, dann müssen wir im Blick auf Warschau und im Blick auf den Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto auch fragen dürfen, war das dann nicht auch Terror?", so seine scheinheilige Frage auf dem Epiphanias-Empfang der evangelischen Propstei Salzgitter vor zwei Jahren, am 6. Januar 2003. Steinbach sieht die Würde eines Menschen darin, ein Mordritual an Juden zu vollführen: "Müssen wir uns nicht fragen", fragt Steinbach weiter, "was los ist, wenn ein anständiger und normaler junger Mann, der leben will wie jeder andere auch, sich einen Sprengstoffgürtel umschnallt und sich in die Luft sprengt, nur weil er sonst keinen Ausweg sieht, sich seine Würde zu bewahren?" Müssen wir uns nicht fragen, was los ist, wenn ein Knall- und Möchtegern-Sprengkopf, der für jugendliche Mörder in die Bresche springt und sie mit den Aufständischen im Warschauer Ghetto gleichsetzt, nicht das Wort entzogen bekommt, sondern ehrfürchtig als "Orientexperte" herumgereicht wird? Schade, dass das nicht Gegenstand dieser Podiumsdiskussion sein wird.

Es würde sich nicht um eine christliche Versöhnungsveranstaltung handeln, wäre nicht auch jemand eingeladen, der die andere Seite vertreten soll. Das ist Doron Kiesel, Professor für "interkulturelle und internationale Sozialarbeit und -pädagogik" in Erfurt. Kiesel hat Bücher mit Titeln wie "Identität und Erinnerung: Zur Bedeutung der Shoa für die israelische Gesellschaft", "Strategien jüdischen Überlebens im Ghetto" oder "Die Erfindung der Fremdheit" veröffentlicht. Man muß ihm zugute halten, dass er - und damit hebt er sich positiv von Steinbach ab - ein Gegner des Antisemitismus ist. Er findet es beunruhigend, dass bei migrantischen Jugendlichen moslemischer Herkunft Antisemitismus und Islamismus immer beliebter werden. Seine Erklärung dafür ist jedoch hanebüchen. Schuld an dieser Entwicklung, glaubt Professor Kiesel, sei die mangelnde Anerkennung der Migranten seitens der Deutschen: der Rückgriff auf "traditionale Sozialformen und kulturelle Muster" sei eine "Reaktion auf Ausgrenzungen, verweigerte Partizipation und ethnisierende Zuschreibungen"[1]. Deswegen schlägt er als Gegenmittel die sogenannte interkulturelle Jugendarbeit vor, die darauf beruht, den jeweils anderen als "Mitglied einer Gruppe, die eine andere kulturelle Lebensform vertritt", anzuerkennen. Das soll dazu führen, dass der bisherige "ethische (!) Orientierungsrahmen" aufgegeben wird und an seine Stelle die "Akzeptanz einer Koexistenz unterschiedlicher identitätsbildender Lebenszusammenhänge" tritt. Was Kiesel gegen die "Fiktion einer ethnischen Homogenität" schreibt, ist sicher richtig. Nur merkt er gar nicht, wie sehr er ihr selber verhaftet bleibt, wenn er die Anerkennung unterschiedlicher "ethnisch geprägter Lebensformen", die "Erhaltung der kulturellen und ethnischen Identität der MigrantInnen" und die staatliche "Pflege sprachlicher und religiöser Traditionen" fordert. Auch sein von Judith Butler inspiriertes Konzept einer Vielzahl "flexibler Identitäten", die nicht notwendig mit bestimmten Traditionen zusammenfallen müssen, ist nicht viel besser: in jedem Fall geht es nicht um Kritik, sondern um die unbedingte Anerkennung des So-Seins des Einzelnen wie des Kollektivs. Einem Antisemiten muß Kiesel seiner eigenen Theorie nach also dieselbe Akzeptanz entgegenbringen wie jedem beliebigen anderen Idioten. Kiesel ist damit bei der akzeptierenden Sozialarbeit angelangt, der bekannten Methode, Nazis für den Mord an Ausländern mit einem Jugendzentrum zu belohnen - nur dass es diesmal nicht um deutsche Nazis, sondern um Islamisten geht. Bei der Umsetzung seiner Theorie in die Praxis hapert es allerdings noch etwas. Kiesel ist nicht so konsequent, angesichts des Antisemitismus dann auch wirklich den Verzicht jedes "ethischen Orientierungsrahmens" zu fordern. Dies bleibt Leuten wie Steinbach überlassen, die ganz von sich aus dem Islamismus und Antisemitismus als Ausdruck einer anderen Identität ("Würde") ihre Bewunderung aussprechen.

Es ist zu befürchten, dass die "Diskussion" genau so aussehen wird, wie sie auf der Homepage der Akademie angekündigt wird: es wird darum gehen, dass unschuldige, nur mit Steinen bewaffnete Pali-Kinder übermächtigen israelischen Panzern gegenüberstünden - diese Szene ist auf dem abgebildeten Foto festgehalten, einem der gestellten Standardbilder made in Palestine, bei denen nur die unwesentliche Information fehlt, dass hinter den jugendlichen Steinewerfern normalerweise Tanzim-Scharfschützen postiert sind. Es wird beklagt werden, dass die zweite Intifada "durch einen Besuch Ariel Scharons auf dem Tempelberg" [2] ausgelöst worden sei - auch wenn der Palästinenseraufstand auf Anweisung Arafats schon Monate vorher geplant war, und außerdem der Besuch eines Juden auf dem Tempelberg noch lange kein Grund ist durchzudrehen. Das Publikum wird lernen, dass "islamische Fanatiker" nur "auf überlegene militärische Gewalt der Israelis reagieren", dass Israel also letztlich schuld an der "Spirale der Gewalt" sei. Da freut sich der gewöhnliche Deutsche, wußte er doch schon immer, dass bei den Juden "die Wurzeln für zahlreiche eskalationsbereite Konflikte weltweit" liegen und dass diese Wurzeln beseitigt werden müssen. Man wird die Frage erörtern, ob "das Anwachsen von Judenfeindlichkeit" mit der "Ablehnung der aktuellen israelischen Politik" hinreichend erklärt ist - und nicht etwa die viel naheliegendere Frage, ob die Ablehnung der aktuellen israelischen Politik eine Folge der Judenfeindlichkeit ist. Aber was heißt hier Judenfeindlichkeit? Sind wir Deutschen im Nahen Osten nicht, wegen der Shoah, "Partei aus schlechtem Gewissen"? Hindert uns dieses schlechte Gewissen nicht daran, "im Verbund der Europäischen Union friedensstiftend tätig zu werden?" Wenn die letzten Hindernisse dafür ausgeräumt sind, dass die Deutschen wieder über Leben und Tod von Juden entscheiden dürfen, wird das Ziel dieser Veranstaltung erreicht sein.

Eine wahrhaft ökumenische Vision für das 3. Jahrtausend steigt vor uns auf: die Juden halten endlich die andere Wange hin und verzichten auf ihre Selbstverteidigung, während Moslems und Christen sich darauf einigen, dass sie friedensstiftend tätig werden müssen, indem sie auf die andere Wange schlagen. So schön kann interkultureller Dialog sein.


Fußnoten:

1. Dieses und die folgenden Zitate aus: Kiesel, Doron: Multikulti ade? Probleme des Kulturalismus in der interkulturellen Pädagogik, Vortrag, Bochum 2000.
2. Dieses und die folgenden Zitate sind dem Ankündigungstext entnommen.

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